1. Die Begründung einer sog. gewerbesteuerlichen Organschaft „über die Grenze“ zwischen einer inländischen Untergesellschaft und einer ausländischen Obergesellschaft wird anerkannt. Verpflichtet sich eine inländische Kapitalgesellschaft, ihren ganzen Gewinn als Organgesellschaft an ein anderes gewerbliches Unternehmen als Organträger abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft nicht dieser, sondern unter bestimmten Voraussetzungen dem Organträger zuzurechnen. Voraussetzung ist u.a., dass der Organträger die Mehrheit der Anteile an der Organgesellschaft hält und überdies seine Geschäftsleitung, früher zusätzlich auch noch seinen Sitz, im Inland hat. Das gilt im Grundsatz für die Körperschaftsteuer (nach §§ 14 ff. des Körperschaftsteuergesetzes) ebenso wie für die Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes).
2. Der strikte Inlandsbezug der Organschaft für die Anforderungen des Unions- und des Abkommensrechts hält für die Gewerbesteuer nicht uneingeschränkt stand. Der gesetzlich erforderliche Inlandsbezug des Organträgers verstößt gegen das völkerrechtlich verbindlich in einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vereinbarte Diskriminierungsverbot gegenüber solchen inländischen Kapitalgesellschaften, deren Anteile mehrheitlich nicht von einem im Inland, sondern von einem in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Unternehmen gehalten werden. Konkret ging es um eine britische Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der public limited company (plc), die mehrheitlich an einer deutschen GmbH beteiligt war.
3. Das Urteil ist noch zu der früheren Regelungslage im Gewerbesteuergesetz und den danach bestehenden tatbestandlichen Erfordernissen ergangen. Mittlerweile bedarf es im Gewerbesteuerrecht – nicht anders als schon seit jeher im Körperschaftsteuerrecht – zusätzlich eines gesellschaftsrechtlichen Gewinnabführungsvertrages, um ein steuerliches Organschaftsverhältnis begründen zu können.
-BFH, Urt. v. 09.02.11 – I R 54, 55/10-