1. Es gehört zu den selbstverständlichen Kardinalpflichten eines GmbH-Geschäftsführers, sowohl die Gesellschafter als auch die weiteren satzungsmäßig berufenen Organe der Gesellschaft – wie den fakultativen Aufsichtsrat – ungefragt über alle für deren und das Gesellschaftsinteresse wesentlichen Tatsachen offen, transparent, zutreffend und vollständig zu informieren. Zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft darf es keine Geheimnisse geben. Der Geschäftsführer einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, deren Alleingesellschafter die öffentliche Hand ist, verletzt seine Pflichten als Geschäftsführer grob, wenn er trotz gegenteiliger Vorgaben von Gesellschafter oder Aufsichtsrat Bauplanungsleistungen im Namen der Gesellschaft ohne vorherige Ausschreibung in Auftrag gibt, ohne den Gesellschafter oder den Aufsichtsrat darüber transparent, zutreffend und vollständig in Kenntnis zu setzen. Hat der Geschäftsführer Zweifel an dem von dem Alleingesellschafter oder dem Aufsichtsrat geäußerten Wunsch, die Gesellschaft den Regeln des Vergaberechts zu unterwerfen, ist er verpflichtet, diese Zweifel unverzüglich offen und transparent zu artikulieren und den Alleingesellschafter und den Aufsichtsrat von der gleichwohl beibehaltenen Praxis ausschreibungsloser Beauftragungen von Bauplanungsleistungen unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, handelt er ebenfalls grob pflichtwidrig.
2. Kommt der Geschäftsführer einer GmbH seinen grundlegenden Pflichten zur offenen, transparenten, zutreffenden und vollständigen Information gegenüber der Gesellschaft nicht nach, rechtfertigt dies gemäß § 626 Abs. 1 BGB die fristlose Kündigung seines Anstellungsverhältnisses. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es nicht.
3. Hat über die fristlose Kündigung des Geschäftsführers die Gesellschafterversammlung oder der Aufsichtsrat zu beschließen, kommt es für den Beginn der Kündigungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 S. 2 BGB auf den Zeitpunkt an, in dem das ordnungsgemäß einberufene und zusammengesetzte Gremium Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat. Eine außerhalb der Gremiensitzung erlangte Kenntnis einzelner Gremienmitglieder ist unerheblich, es sei denn, wenn die Einberufung des Gremiums ungebührlich verzögert wird. Das ist bei einer acht Tage nach Kenntniserlangung einberufenen Gremiensitzung nicht der Fall.
4. Die Frist des § 626 Abs. 1 BGB wird in Lauf gesetzt, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis vom Kündigungssachverhalt hat. Die Frist beginnt nicht, wenn der gekündigte Geschäftsführer den Kündigungsvorwurf zwar einräumt, in der Gremiensitzung aber gleichzeitig die Durchführung einer sodann beschlossenen Sonderprüfung anregt. Dadurch erweckt er selbst den Eindruck, der für die Beurteilung seines Verhaltens maßgebliche Sachverhalt sei bislang nicht vollständig aufgeklärt. In einem solchen Fall kann das zur Kündigung befugte Gremium den Abschluss der Sonderprüfung abwarten, ohne dass die Kündigungsfrist weiter in Lauf gesetzt wird. Ob die Gesellschaft durch die Sonderprüfung zusätzliche kündigungsrelevante Erkenntnisse gewinnt, ist für die Hemmung der Kündigungsfrist unerheblich.
-KG Berlin, Urt. v. 16.6.2011 – 19 U 116/10-